1800-1850: Die Preußen sind da

Die Preußen kommen

Bereits ein Jahr vor dem Reichsdeputationshauptschluss ergreifen die Preußen von Stadt- und Stiftsgebiet Essen Besitz. Unter dem Oberbefehl von Blücher besetzen 1802 zwei Kompanien die beiden geistlichen Fürstentümer Essen und Werden. Borbeck zählt damals 488 Einwohner - das ganze Borbecker Quartier 2.054. Die vier geistlichen Korporationen in den beiden geistlichen Territorien, die beiden Kapitel des Stiftes Essen und die adeligen Damenstifte in Rellinghausen und Stoppenberg, werden noch vor dem förmlichen Reichstagsbeschluss aufgehoben und die noch aus dem Mittelalter bestehenden vier Essener Beginenkonvente vereinigt. 1803 sind die Territorien mit zusammen 20.000 Einwohnern säkularisiert, Fürstin Maria Cunegunda und die Stiftskapitel werden entschädigt und abgefunden.

Preußen beginnt mit der Ein­gliederung der Stiftsgebiete in das eigene Verwaltungssystem und richtet eine zentrale Rentei ein. Die bäuerliche Bevölkerung soll die Abgaben jetzt in Geld-, statt Naturalleistungen erbringen, die gewerblichen Unternehmungen wie der Kohlenzehnt werden dem nach Essen verlegten Oberbergamt unterstellt und die Chaussee nach Oberhausen durch den Staat angekauft. Die Barrierengelder sind weiter zu zahlen. Das Land wird in Stadt- und Landkreise geteilt, die einem Landrat unterstehen. Dadurch fallen die ländlichen Gemeinden von Essen und Werden an den klevischen Landkreis Duisburg, an den Bauern die Landessteuern zu zahlen haben.

1806 werden die beiden ehemaligen Fürstentümer wieder dem durch Napoleon geschaffenen Großherzogtum Berg einverleibt, was für das Essener und Werdener Land den völligen Bruch mit den mittelalterlichen Verhältnissen bedeutete. Die Aufhebung des Lehnsrechtes, aller Standesunterschiede und Feudalabgaben verbindet sich mit einer neuen zentralistischen Verwaltung. Von 1806 bis 1814 fällt das Stift Essen wieder an das unter französischer Herrschaft stehende Herzogtum Berg, wird unter einem Unterpräfekten Hauptort eines Arrondissements im Rheindepartement, das aus den Cantonen Essen, Werden, Duisburg und Dinslaken gebildet wird. Der Essener Canton selbst besteht aus den Munizipalitäten Essen, Altenessen, Borbeck und Steele. Zu Borbeck gehören das Kirchdorf Borbeck und die Bauerschaften Bedingrade, Möllhoven, Frintrop, Dellwig, Gerschede, Vogelheim, Bocholt, Lippern, Lirich und die Dreibauerschaft Altendorf, Holsterhausen und Frohnhausen. Die Munizipalität Borbeck wird von einem Maire geleitet. Das Amt übernimmt der bisherige Rentmeister von Haus Berge, Philipp Jos. Chr. Leimgardt, der von 1817-1823 erster Bürgermeister Borbecks ist.

Auch die kirchlichen Verhältnisse ändern sich: Bis zur Neuerrichtung des Kölner Erzbistums 1825 hatte zuletzt ein ehemaliger Benediktiner aus der Abtei Deutz für die kirchliche Verwaltung in den rechtsrheinischen Gebieten gesorgt. Jetzt wird das ehemals exemte Essener Stiftsgebiet bis zur Eingliederung in einen Diözesanverband vom letzten Offizial Alois W. Joseph Brockhoff verwaltet, der 1790 noch von der Äbtissin ernannt worden ist und bis zur Neuumschreibung der preußischen Bistümer 1821 im Amt bleibt. In Borbeck wird 1807 Gottfried Schwane aus Dorsten, ebenfalls ein ehemaliger Benediktiner aus der alten Reichsabtei Werden, als Pastor eingeführt, wo er bis zu seinem Verzicht 1840 tätig sein sollte.

Frühe Industrie

Währenddessen machen die industriellen Anfänge ungeachtet der politischen Verhältnisse große Fortschritte: 1803 hat Franz Dinnendahl die erste Dampfmaschine im Ruhrgebiet gebaut, drei Jahre später kann mit ihrer Hilfe der Förderschacht der Zeche Sälzer und Neuack auf 42 Meter Tiefe abgeteuft werden. 1809 nimmt die Zeche in Borbeck die erste Wasserhaltungs- und Fördermaschine in Betrieb und zwei Jahre später wird die Firma Friedrich Krupp gegründet, die 1812 in der Vogelheimer Walkmühle eine Stahlschmelze und ein Hammerwerk errichtet. Aus diesen kleinen Anfängen werden sich in den nächsten Jahrzehnten riesige Fabrikanlagen entwickeln, die Menschen, Kapital und Macht anziehen. Das agrarisch geprägte Kirchdorf Borbeck ändert sein Gesicht.

Ab 1816 gehören Essen und Werden zur Verwaltung der preußischen Provinz Jülich-Kleve-Berg, die 1822 mit der Provinz Niederrhein verbunden wird. Ab 1830 sind sie Teil der sogenannten preußischen „Rheinprovinz“ mit Sitz in Koblenz. Das Borbecker Schloss, das als Spekulationsobjekt öfter seinen Besitzer wechselt, wird 1827 von Reichsfreiherr Clemens von Fürstenberg angekauft. Er lässt 1842 nach den Plänen des Essener Baumeister Heinrich Theodor Freyse das benachbarte Wirtschaftsgebäude errichten, das als bedeutendes Beispiel des rheinischen Klassizismus gilt.

Tiefbergbau beginnt in Borbeck

Die Industrie nimmt weiter Fahrt auf: 1832 bringt der Ruhrorter Kaufmann Franz Haniel 1832 in Schönebeck den ersten Tiefbauschacht nieder. Schacht Franz ist der erste im späteren Ruhrgebiet, der die wasserführende Mergelschicht durchdringt. Ihm folgen die Schächte 1837 Kronprinz, 1838 Wolfsbank I, 1840 Vereinigte Helene und Amalie, 1841 Lorchen, 1846 Carolus Magnus und weitere. Ihre Kohle ist wertvoll und kann zu Koks verarbeitet werden. Das zieht auch andere Industrien an: Ab 1847 arbeitet die Zinkhütte und 1850 beginnt die Verhüttung von Eisen in der späteren Phoenix-Hütte. Erschlossen wird die Region jetzt durch die Eisenbahn. 1847 errichtet die Köln-Mindener Eisenbahn mit Oberhausen und Berge-Borbeck gleich zwei Bahnhöfe auf dem Gebiet der Bürgermeisterei Borbeck, ein Schienenetz von Zubringern und neue Straßen entstehen. Das Kapital kommt von auswärts, auch Investoren aus dem Ausland entwickeln die Region mit. Die Borbecker Bauern verkaufen ihr Land oder errichten Ringofenziegeleien für den Bau von Industriegebäuden und Häusern.

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