Herbrüggenstraße

Die Herbrüggenstraße (1915) führt von der Aktienstraße über die Heißener Straße Richtung Osten bis zur Nöggerathstraße. Sie verbindet die Stadtteile Schönebeck, Altendorf und Frohnhausen. Von ihr zweigen unter anderem die Straßen Herbrüggenbusch (1969) und Herbrüggenhof (2004) ab. Der Herbrüggenbusch zwischen Herbrüggenstraße und Dreigarbenfeld ist nach einem Wäldchen benannt, das zum Hof Schulte-Herbüggen gehörte, 35 Morgen groß war und im Volksmund Herbrüggenbusch genannt wurde. Im Bericht des essendischen Oberförsters Pasbach von 1802 hieß er Herbrügger Wald. Die Straße Herbrüggenhof liegt zwischen Herbrüggenbusch und Herbrüggenstraße. Erst 1928 wurde in der Herbrüggenstraße elektrisches Licht installiert.

Die Straßen sind nach dem Hof Schulte-Herbrüggen benannt (Bild oben: Bürgermeisterei Borbeck 1887, Ausschnitt). Die Geschichte dieses Hofes, der zu den Oberhöfen der Essener Fürstäbtissinnen gehörte, reicht ins Mittelalter zurück. Es handelte sich dabei um ein sogenanntes Dritte-Garben-Gut des Stiftes Essen (vgl. die Straße Dreigarbenfeld), das mit einem erblichen Nutzungsrecht verbunden war. Zu Zeiten der Dreifelderwirtschaft musste jede dritte Garbe, also ein Drittel der Ernteerträge, an die Äbtissin abgeführt werden. Der Besitzer eines Oberhofes führte den Titel Schulte oder Schulze. Er übte im Namen der Äbtissin die Gerichtsbarkeit über die Bauern der Unterhöfe aus. Außerdem waren die Oberhöfe dafür verantwortlich, dass die Abgaben und Dienstleistungen der Unterhöfe ordnungsgemäß abgewickelt wurden. Sie selbst waren abgabefrei. Im Jahre 1670 wurde die Naturalabgabe der dritten Garbe in eine Geldabgabe umgewandelt.

Zu dieser Zeit umfasste der Hof Schulte Herbrüggen rund 74 Morgen. Nach der Säkularisierung gelang es der Maria Francisca Schulte Herbrüggen in langen Verhandlungen mit dem preußischen Finanzministerium, das erbliche Nutzungsrecht durchzusetzen. Nach Ablösung der fiskalischen Lasten 1832 ging der rund 188 Morgen große Hof in das uneingeschränkte Eigentumsrecht der Familie Schulte Herbrüggen über. Er blieb bis zum Jahre 1900 im Besitz der Familie. Dann ging er auf den Mülheimer Bergwerksverein über. 2014 sprühte der Essener Künstler Pascal Maßbaum eine historische Darstellung des Herbrüggenhofs auf einen Stromkasten in Essen-Schönebeck.

Familiengeschichtlicher Exkurs:

1873 kam auf dem Familiengut in Schönebeck ein August Schulte-Herbrüggen zur Welt, der als Entdecker der artesischen Brunnen bekannt geworden ist. Das sind Brunnen unterhalb des Grundwasserspiegels, aus denen Wasser von selbst austritt. 1911 soll der Uhrmachergeselle und spätere Gastwort Schulte-Herbrüggen während einer Jagd bei Gahlen auf gleichmäßig und ununterbrochen sprudelnde Quellen aus den Bohrungen der Bergwerksgesellschaft Gewerkschaft Trier aufmerksam geworden sein. Er erwarb nordwestlich von Gahlen Gelände und ließ in der Hoffnung auf künftige industrielle Nutzung auf eigene Kosten zwei Brunnen bohren. Doch zeigte das Rheinisch-Westfälische Wasserwerk (RWW) wenig Interesse an dem Projekt, weil Experten eine zu geringe Wasserausbeute prognostizierten. August Schulte-Herbrüggen ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen und brachte 1917/1918 mit Hilfe russischer Kriegsgefangener weitere vier Brunnen nieder. Spätere Verhandlungen mit dem RWW über eine mögliche Entschädigung scheiterten. 1938 ist August Schulte-Herbrüggen gestorben. Die Quellen versiegten in den 1980er-Jahren. In der Nähe des Kneipp-Tretbeckens in Dorsten zwischen Lippe und Wesel-Dattel-Kanal (eröffnet 2021) haben seine Neffen zusammen mit dem Dorstener Heimatverein eine Erinnerungstafel aufgestellt. Auf der vom RWW errichteten Tafel fehlt der Name des Entdeckers. (FJG)

 

Quellen:

Erwin Dickhoff: Essener Straßennamen, Neuauflage 2015.

Homepage des BVS Essen-Schönebeck 1837 e.V. – Chronik.

Blank, Frank-Herbert: Schulte-Herbrüggen. Hof und Familie durch die Jahrhunderte, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e.V., Köln 1987.

Helmut Scheffler: Gedenkstein für August Schulte-Herbrüggen. Sprudelnde Quellen entdeckt, in: Dorstener Zeitung vom 24. Oktober 2010.

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