Kettelerstraße

Die Kettelerstraße verbindet die Bocholder Straße und die Borbecker Straße und verläuft parallel zum Friedhof an der Dachstraße. Benannt ist sie seit dem 3. März 1953 nach Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler. Die Benennung erfolgte auf Vorschlag der „Siedlergemeinschaft Christliche Familienhilfe Essen-Borbeck e.V.“, die die Häuser an dieser Straße errichtete. Die Siedlergemeinschaft wurde 1947 vom Vollzugsbeamten Bernhard Wesselbaum in Schonnebeck gegründet. Auf seine Initiative kam es zu weiteren Siedlergemeinschaften in Borbeck, Schönebeck, Dellwig und Frintrop (vgl. Wesselbaumweg).

Wilhelm Emanuel Ketteler wurde am 25. Dezember 1811 als sechstes von neun Kindern des Landrats und Gutsbesitzers Maximilian Freiherr von Ketteler (1779-1832) und dessen Ehefrau Clementine geb. Freiin von der Wenge (1778-1844) in Münster geboren. Er war der Großonkel von Clemens August Graf von Galen (1878-1946), Bischof von Münster von 1933 bis 1946, der in seinem Todesjahr 1946 zum Kardinal erhoben wurde.

Wilhelm Emanuel Ketteler besuchte 1823/24 ein Gymnasium In Münster, war von 1824 bis 1828 Schüler im Jesuiteninternat in Brig (Kanton Wallis, Schweiz) und legte 1829 in Münster die Reifeprüfung ab. Danach studierte er von 1829 bis 1833 Rechtswissenschaften in Göttingen, Heidelberg, München (mit Adolf Kolping als Studienfreund) und Berlin, wo er 1833 das juristische Examen bestand. 1833/34 war er als Gerichtsreferendar in Münster tätig, leistete 1834/35 seinen einjährigen Militärdienst als Unteroffizier ab und arbeitete danach von 1835 bis 1838 als Gerichtsreferendar in Münster. Am 18. Mai 1838 wurde er auf eigenen Wunsch aus Glaubens- und Gewissensgründen aus dem Staatsdienst entlassen. Er wollte nicht einem Staat dienen, der die Gewissensfreiheit seiner Bürger missachtete und in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingriff. Der 27-jährige Ketteler hielt sich 1839/40 in München auf, studierte dort von 1841 bis 1843 Theologie, um anschließend das Priesterseminar in Münster zu besuchen. Am 1. Juni 1844 wurde er in seiner Heimatstadt Münster zum Priester geweiht.

Von 1844 bis 1846 wurde er als Kaplan und Pfarrverwalter an St. Stephanus in Beckum eingesetzt. Auf seine Anregung entstand dort ein Krankenhaus für Arme und Bedürftige, das heute noch besteht. 1846 erfolgte seine Ernennung zum Pfarrer in der Gemeinde Hopsten. In den armen ländlichen Gemeinden erfuhr er hautnah, was Armut, Not und Elend bedeutet. Hier wurde sein Interesse an der sozialen Frage geweckt. In Hopsten war er bis 1848 tätig. 1849 wurde er zum Propst an St. Hedwig in Berlin berufen und am 15. März 1850 zum Bischof von Mainz ernannt. Die Bischofsweihe erfolgte am 27. Juli 1850.

Wilhelm Emanuel Ketteler war auch politisch tätig. In den Jahren 1848/49 gehörte er für die Provinz Westfalen (Wahlkreis Lengerich) als fraktionsloses Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung an. Im August 1849 legte er sein Mandat nieder. Von 1851 bis zu seinem Tod 1877 war er als Bischof von Mainz Mitglied der Ersten Kammer des Landtags des Großherzogtums Hessen. Von 1851 bis 1856 nahm er persönlich an den Sitzungen teil, danach ließ er sich von Abgeordneten vertreten. 1871 wurde er als Abgeordneter das Wahlkreises Tauberbischofsheim in den ersten Deutschen Reichstag gewählt und wirkt an der Seite von Ludwig Windhorst an der Gründung des Zentrums mit. Bereits 1872 legte er sein Mandat zugunsten des Domkapitulars Christoph Moufang nieder.

Wilhelm Emanuel Ketteler erkannte schon früh, dass mit karikativen Maßnahmen allein die Not der lohnabhängigen Bevölkerung nicht zu bewältigen war. Sein Credo lautete: Sozialarbeit vor Katechese. In seinen Reden und Schiften forderte er staatliche Interventionen zur Beseitigung ungerechter Strukturen in der Gesellschaft. Am 25. Juli 1869 rief er in seiner berühmten Predigt „Die Arbeiterbewegung und ihr Streben im Verhältnis von Religion und Sittlichkeit“ vor 10.000 Arbeitern auf der Liebfrauenheide bei Offenbach zu einer Veränderung der sozialen Verhältnisse auf. Seine konkreten Forderungen lauteten: Zahlung eines gerechten Lohnes, Arbeitszeitverkürzung, Gewährung von Ruhetagen, Verbot der Kinderarbeit, Abschaffung der Fabrikarbeit von Müttern und jungen Mädchen. Streik wertete er als legitimes Mittel zur Erreichung gerechterer Arbeitsbedingungen. Nach seiner Auffassung war die soziale Frage nur durch Selbsthilfe der Arbeiterschaft, staatliche Schutzgesetze und Hilfen durch die Kirche gemäß der christlichen Soziallehre zu lösen.

Insgesamt hat Wilhelm Emanuel Ketteler als Bischof, Sozialreformer und Politiker den Weg und die Programmatik des politischen Katholizismus in Deutschland geprägt und der katholischen Staats- und Soziallehre wichtige Impulse gegeben.

Wilhelm Emanuel Ketteler nahm im Mai 1877 an den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bischofsjubiläum von Papst Pius IX. teil. Auf der Heimreise zog er sich eine schwere Lungenentzündung zu, an deren Folgen er am 13. Juli 1877 im Kapuzinerkloster Burghausen im Landkreis Altötting starb. Er wurde am 18. Juli 1877 in der Marienkapelle des Mainzer Doms beigesetzt.

Bischof Ketteler erhielt zahlreiche Ehrungen. Viele Straßen, Gebäude und Einrichtungen wurden nach ihm benannt. Die Zahl der Publikationen zu seinem Leben und Wirken ist riesig. Eine 1995 erstellte Bibliographie verzeichnete über 1.300 Titel. (FJG)

Quellen: https://www.lagis-hessen.de/pnd/118561723 (abgerufen am 29.06.2020), https://www.regionalgeschichte.nrt/bibliothek/biografien/Ketteler (abgerufen am 29.06.2020), https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Emanuel_von_Ketteler (abgerufen am 29.06.2020).

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