Nölle, Franz

Polizeidiener waren ehemalige Handwerker, Soldaten oder Dienstboten. Wegen ihrer festen Bindung an ihre Herkunftsmilieus stieß sie bei der Ausübung der Staatsgewalt vor Ort immer wieder an Grenzen. Der Polizeidienst erforderte Fähigkeiten und Tätigkeiten, für die die Polizeidiener nicht ausgebildet waren. Sie waren zuständig für alles Mögliche, ohne dass man sie bei der Umsetzung ihrer Aufgaben mit klaren Befugnissen und Dienstanweisungen ausgestattet hätte. Dieser Zustand veranlasste die staatlichen Behörden im Laufe des 19. Jahrhundert dazu, die Beziehungen von Polizei und Bürgerschaft zu kontrollieren, die Tätigkeit des Polizeidieners durch das Kappen von persönlichen Bindungen zwischen Staatsgewalt und Volk zu professionalisieren und soziale Distanz herzustellen. Diesem Professionalisierungsprozess waren manche Polizeidiener nicht gewachsen.

Für den Polizeidiener und Polizei-Sergeanten, um den es hier geht, trifft das nicht zu. Gemeint ist Franz Nölle, Polizeidiener und Sergeant in Borbeck von 1865 bis 1900. Heinrich Lumer hat Nölles Leben anhand von Schriftdokumenten ausführlich nachgezeichnet.     

Auf dem Weg zum Polizeidiener in der Bürgermeisterei Borbeck absolvierte der 1832 in Sassendorf (Kreis Soest) geborene Franz Nölle eine Ausbildung zum Sattlergesellen und leistete ab 1852 in Wesel einen freiwilligen Militärdienst. 1858 erfolgte seine Ernennung zum Sergeanten, 1862 wurde ihm für treu geleistete Dienste ein Königlicher Orden III. Klasse verliehen.

Was Franz Nölle dazu bewogen hat, den Militärdienst zu beenden und sich 1865 bei der Bürgermeisterei Borbeck um die Stelle eines Polizei-Sergeanten zu bewerben, ist nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, dass er nach 13-jähriger Dienstzeit keine hinreichende Zukunftsperspektive beim Militär sah. Möglicherweise spielten finanzielle Erwägungen und die Hoffnung auf Festanstellung auf Lebenszeit eine Rolle.

Jedenfalls bewarb sich Franz Nölle im Januar 1865 beim „Wohllöblichen Magistrat zu Borbeck“ mit dem Versprechen, die mit der Stelle verbundenen Aufgaben und Pflichten treu erfüllen zu wollen. Nach erfolgreich absolvierter Probezeit wurde Nölle im Juni 1865 zum Polizeidiener von Borbeck ernannt.     

Zentrale Aufgabe eines Polizeidieners war die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dazu gehörte die Überwachung der Sperrstunden von Gaststätten und die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs, die Überwachung der Straßen- und Wegereinigung durch die Anwohner, Anwesenheit und Kontrolle bei Versammlungen sowie Nachtwächter- und Botendienste (nach Heinrich Lumer, S. 124).

Im Juni 1877 erfolgte die Ernennung von Franz Nölle zum 2. Executor bei der Borbecker Communalkasse für eine dreimonatige Probezeit. Zu den Aufgaben eines Gemeinde-Executors zählten die Eintreibung von Steuern bei säumigen Zahlern und die Feststellung der Voraussetzungen einer Pfändung. Damit machte man sich nicht nur Freunde in der Gemeinde.

Franz Nölle überstand alle Konflikte und Krisen, die er in seiner langen Dienstzeit in Borbeck unter den Bürgermeistern Péan, Faehre, Kruft und Heinrich erlebt hatte. Im Februar 1900 reichte er beim Borbecker Gemeinderat einen Antrag auf Pensionierung ein und wurde im Oktober in den Ruhestand versetzt. Der „Vollziehungsbeamte“ Franz Nölle erhielt ein jährliches Ruhegehalt von 1.575 Mark.

Der Pensionär Franz Nölle verbrachte die letzten Lebensjahre mit seiner Ehefrau Wilhelmine und den sechs Kindern in der Hochstr. 117 (heute Bocholder Str. 242). Er starb am 26. Februar 1909 im Alter von 76 Jahren an Altersschwäche.          

Quellen: Heinrich Lumer: Franz Nölle – Borbecker Polizeidiener, Sergeant und Communal-Executor im 19. Jahrhundert. In: Borbecker Beiträge 3 (2014), S. 121-130. – Tim Luks: Schiffbrüchige des Lebens. Polizeidiener und ihr Publikum im 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag 2019 (= Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Soziallehrer, hrsg. von Ulrike von Hirschhausen und Sebastian Conrath); pdf (eingesehen am 23.10.20).

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