Wegmann, Jürgen

Nach eigenen Angaben war er giftiger als die giftigste Schlange, was ihm den Spitznamen „Kobra“ einbrachte. Der waschechte Bergeborbecker Junge schnürte die Fußballstiefel im Profibereich für Rot-Weiss Essen, den BVB, Schalke 04, Bayern München und den MSV Duisburg. Er wurde Deutscher Meister, Supercup-Sieger und bewahrte Borussia Dortmund vor dem Bundesligaabstieg. Seine Pflichtspielkarriere begann und endete an der Hafenstraße. Am 31. März 2024 wurde er 60.

Premiere als A-Jugendspieler

Großartige Stürmer hatten seit der Verpflichtung von Willi Lippens 1965 die rot-weissen Bundesliga- und Zweitligazeiten geprägt. Da gab es Anfang der 1970er Jahre den 100 Mann-Sturm um Günter „Nobby“ Fürhoff, dann einen Horst Hrubesch und zuletzt Frank Mill, der als deutscher Vizemeister 1976 aus der RWE-A-Jugend in den Profikader kam und in der Zweitligasaison 1980/81 insgesamt 41 Tor schoss.

Die folgende Spielzeit 1981/82 war zugleich der Startschuss in die bis heute bestehende eingleisige 2. Bundesliga. In der Rückrunde der Premierenspielzeit ging am 26. Spieltag ein neuer Hoffnungsstern am rot-weissen Himmel auf. A-Jugendspieler Jürgen Wegmann feierte am 6. März 1982 ein Debüt nach Maß. Der damals noch 17jährige Nachwuchsstürmer schoss in der 3. Minute seines ersten Zweitligaspiels das 1:0 gegen Fortuna Köln und kam im weiteren Saisonverlauf bei zehn Einsätzen auf insgesamt vier Treffer. Sein erster Doppelpack gelang ihm dabei mit seinen Toren zum 3:1 und 4:1 beim 5:2 Erfolg gegen den VfL Osnabrück. Mit Jürgen Wegmann und mit vier Siegen zum Saisonabschluss sicherte sich die Mannschaft schließlich überzeugend den Klassenerhalt. In der Endabrechnung stand ein ausgeglichenes Punktekonto und ein sicherer elfter Mittelfeldplatz. Als einer der wenigen Vereine erhielt RWE auf Anhieb und ohne Beanstandungen die DFB-Lizenz für die neue Saison – „erwirtschaftet“ allerdings durch den Verkauf der beiden Leistungsträger Gregor Grillemeier und Matthias Herget.

Jürgen Wegmann als rot-weisser Erfolgsgarant

Sehr viel schwieriger gestaltete sich die folgende Saison 1982/83. Nach sieben Spieltagen und einer Serie von fünf Niederlagen waren die Rot-Weissen auf den vorletzten Tabellenplatz abgerutscht. Nach einem Trainerwechsel erwies sich kurze Zeit später wieder einmal Jürgen Wegmann als Erfolgsgarant, der mit seinen drei Treffern beim 3:2 in Solingen für den ersten Auswärtssieg der Saison sorgte und mit insgesamt 16 von 56 rot-weissen Treffern erfolgreichster Essener Stürmer war.

Trotzdem zitterten die Bergeborbecker bis zum Schluss um den Verbleib in der 2. Bundesliga. Erst am vorletzten Spieltag gelang mit einem 4:2 Heimerfolg gegen Kickers Offenbach mit dem 14. Platz der Klassenerhalt – Doppeltorschütze zum 2:0 und 3:0: Jürgen Wegmann. Klaus Fleiss zog in der WAZ die „Bilanz einer verkorksten Spielzeit. (...) Die Gründe für den offensichtlichen Niedergang sind natürlich vielschichtig. Sie liegen aber sicherlich in dem alten RWE-Patentrezept, aus finanziellen Gründen jedes Jahr die besten Spieler abzugeben und nicht für gleichwertigen Ersatz zu sorgen.“

Ein Jahr erwischte es auch Jürgen Wegmann. Die Saison verlief wieder nicht nach Wunsch. Einziger Lichtblick am letzten Spieltag der Hinrunde war das Prestigeduell gegen Schalke 04, dem man beim 1:1 im Georg-Melches-Stadion einen Zähler abtrotzte - Torschütze natürlich Jürgen Wegmann. Es war zugleich sein vorerst letzter Treffer im rot-weissen Trikot. Zur Weihnachtszeit standen die Essener mit einem nur mäßig gefüllten Punktekonto auf dem 14. Platz, während auf dem Bankkonto schon lange wieder Ebbe herrschte. Um wirtschaftlich überleben zu können, musste mit dem RWE-Nachwuchsstürmer erneut ein Leistungsträger verkauft werden. Dabei hatte Vorstandsmitglied Harald Rittig noch Ende August 1983 erklärt: „Da kann man mich beim Wort nehmen. Solange Wegmann bei uns unter Vertrag steht – und das ist bis 1985 – wird er nicht verkauft.“

Borussia Dortmund bedankte sich mit 1 Million Mark für das Essener Weihnachtspräsent. Der mit 12 Treffern in der Saison 1983/84 bis dahin erfolgreichste Essener Torschütze wurde in der Rückrunde schmerzlich vermisst. Am letzten Spieltag fiel die Entscheidung. Nach dem 3:2 Erfolg der Königsblauen trennten sich die Wege der beiden Traditionsmannschaften. Schalke stieg in die Bundesliga auf, während RWE den bitteren Weg in die Oberliga Nordrhein antreten musste. Es war der erste Abstieg von Rot-Weiss Essen aus den ersten beiden Ligen seit 1948.

Und an der Hafenstraße war man sich einig: Mit Jürgen Wegmann wäre das nicht passiert. Das einstige rot-weisse Nachwuchstalent, das seit der C-Jugend bei Rot-Weiss Essen spielte, war in seinen bis dahin 65 Zweitligaspielen 32-mal für RWE erfolgreich gewesen.


Mit 17 Jahren feierte Jürgen Wegmann gegen Fortuna Köln sein Profidebüt und erzielte das 1:0, rechts: Portraitfoto Jürgen Wegmann aus der Festschrift 75 Jahre Rot-Weiss Essen.

Für BVB den Klassenerhalt gesichert und bester Knappentorschütze

Das wichtigste Tor seiner Karriere gelang ihm dann bei seiner nächsten Station Borussia Dortmund. Und wieder hieß der Gegner Fortuna Köln. Der BVB hatte die Saison 1985/86 auf dem 16. Tabellenplatz als Drittletzter der Bundesliga beendet und musste gegen die Domstädter in die Relegation. Die Borussia verlor das Hinspiel in Köln mit 0:2 und lag im Rückspiel zu Hause zur Halbzeit mit 0:1 zurück. In der zweiten Halbzeit drehte Dortmund zwar das Spiel und mit ging 2:1 in Führung, doch hätte dieses Ergebnis den Abstieg des BVB bedeutet. Wegmann erzielte schließlich in der letzten Spielminute das 3:1, wodurch der BVB in der Addition beider Spiele ausgleichen konnte. Damit musste ein Entscheidungsspiel ausgetragen werden, das der BVB in Düsseldorf mit 8:0 gewann – Jürgen Wegmann erzielte dabei das 6:0.

Für eine Ablösesumme von 1,35 Millionen DM wechselte er anschließend zum Ligakonkurrenten FC Schalke 04 bereits fest. Mit Schalke belegte er in der Bundesligasaison 1986/87 den 13. Tabellenplatz und erzielte zehn Tore in 28 Spielen, was ihm zum besten Torschützen der Knappen machte.

Tor des Jahres im Bayern-Trikot

Zur darauffolgenden Saison ging es für eine Ablösesumme von 2 Millionen DM weiter zum FC Bayern München, mit dem er zu Beginn der neuen Saison den erstmals ausgetragenen DFB-Supercup gewann. Im Finale gegen den Hamburger SV erzielte er beim 2:1-Sieg beide Tore der Bayern. In seinen beiden Jahren bei Bayern unter Trainer Jupp Heynckes war er mit jeweils 13 Ligatreffern zweitbester Bayern-Torjäger. Ein persönlicher Höhepunkt Jürgen Wegmanns war das Tor am 26. November 1988 per Seitfallzieher zum 1:0-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg, das später zum Tor des Jahres gewählt wurde. Am Ende der Saison wurde er mit Bayern München 1989 Deutscher Meister.

Zurück ins Ruhrgebiet und verletzungsbedingtes Karriereende

Anschließend kehrte Jürgen Wegmann für eine Ablösesumme von 1,95 Millionen DM für vier Spielzeiten zu Borussia Dortmund zurück und erzielte gleich zu Beginn gegen die Bayern beim 4:3 Supercupfinal-Erfolg am 25. Juli 1989 den zwischenzeitlichen 3:2 Führungstreffer.

In den ersten beiden Jahren kam der Vollblutstürmer beim BVB regelmäßig zum Einsatz und erzielte in 45 Ligaspielen acht Tore. In den beiden folgenden Spielzeiten stand er verletzungsbedingt nur jeweils einmal auf dem Platz.

In der Winterpause der Saison 1992/93 wechselte Wegmann zum Zweitligisten MSV Duisburg, für den er in sieben Spielen zweimal traf. Danach kehrte er zu Rot-Weiss Essen zurück. Fast genau zehn Jahre nach seinem letzten Einsatz wurde er in der Saison 1993/94 am 27. Oktober 1993 im Achtelfinale des DFB-Pokalspiels gegen den MSV Duisburg eingewechselt und erzielte den 4:2 Siegtreffer. Auch im Viertelfinale beim FC Carl Zeiss Jena trug er im Elfmeterschießen mit seinem Treffer zum 6:5 Erfolg bei. Nach dem wenige Monate später durch den DFB erzwungenen Zwangsabstieg spielte er für RWE noch eine Saison in der damals drittklassigen Regionalliga und erzielte in 16 Saisonspielen vier Tore.

Verletzungsbedingt kam es 1995 nach einem Kurzaufenthalt in Mainz, wo er sich in einem Testspiel einen Kreuzbandriss zuzog, zu Wegmanns Karriereende.

Am Ende seiner Laufbahn wechselte er für eine kurze Zeit die Seiten und war als Schiedsrichter in 52 Spielen der Kreisklasse und Bezirksliga im Einsatz.

Georg Schrepper

 

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