Heimspiel für Herbert Knebel

Uwe Lyko begeistert in Don Bosco

1 18.09.2019

BORBECK. 530 Besucher, volles Haus in der ausverkauften Turnhalle des Don Bosco-Gymnasiums. Und alle lachten am Dienstagabend reichlich Tränen: Herbert Knebels Benefizauftritt an der Theodor Hartz-Straße war ein einziges Heimspiel. Alles für den guten Zweck: Der gesamte Erlös geht in die 31. Salesianischen Sportspiele, die vom 28. April bis 3. Mai 2020 vom Borbecker Don Bosco-Gymnasium in Duisburg-Wedau ausgerichtet werden. Nicht nur darum war dem kreuzfidelen Ruhrpott-Rentner ein begeisterter Empfang gewiss.

Im Liegen geht´s: Willkommen in Borbeck.

Noch hat er gar nichts gesagt, da schlägt ihm aus der erwartungsvollen Schwärze des Saales schon ein Riesenapplaus entgegen. Er ist genauso wie er ist: Hier - wie bei seinen unzähligen Fernsehauftritten. Die Kappe sitzt, dicke Brille, Hosenträger. Ein guter alter Bekannter sozusagen, jemand von nebenan. Einer der so redet, wie man selbst oft genug zumindest denkt. „Im Liegen geht´s!“ verkündet Uwe Lyko alias Herbert Knebel und nimmt neben dem großen Sonnenblumenschinken gleich das große Sofa längs in Beschlag, legt die Füße hoch. Doch zwischen den traulich bestickten Kissen hält der Titel seines Solo-Programms nicht lange vor: Als er sich bedeutungsvoll wieder erhebt, hört man fast die Gelenke knacken. Und schon wandert die formschöne Rentnerjacke in trendiger Sandfarbe auf den Kleiderhaken. Die Arme rudern wild und raumgreifend, als er alle in „Bergeborbeck“ begrüßt. - Schrecksekunde. - „Ohne Berge. Borbeck reicht“, schallt es ihm zaghaft entgegen. Kurze Irritation, bis er versteht. „Wat ne Pleite, son Fauxpatz, nee - wat ne Blamage, und dat direkt am Anfang!“, beklagt er sein Schicksal. Er müsste das doch wissen, entfährt es ihm, schließlich habe er doch mal in Borbeck gewohnt. Knapp zwei Jahre lang übrigens, hinter dem Schlosspark war das, Anfang der 90er, stellt sich später heraus. Und das große Erdbeben 1992, das sei das, was er mit Borbeck verbinde, gibt er nach dem Auftritt lachend zu Protokoll. Doch zuvor bringt er zweieinhalb Stunden lang die Halle selbst zum Beben.

Rentnerdasein leichtgemacht

Was macht so ein Rentner eigentlich den ganzen Tag? Nach so einem Abend weiß man es. Wenn sich Herbert Knebel nicht gerade für die Übertragung der sehnsüchtig erwarteten Champions-League in Schale wirft – am besten bei sturmfreier Bude: So ein im Grunde altersloser Pensionär - guckt. Er beobachtet, geht mit offenen Augen durch die Welt, versucht zu verstehen, er schärft sein Weltbild ohne sich zu schneiden. Er weiß, was nebenan in der Siedlung passiert, welchen täglichen Irrsinn die nur scheinbar normale Wirklichkeit bereithält und wie man damit zurechtkommt. Und zwischendurch kann man ja auch noch ausprobieren, was das Leben nach Arbeit und  allen Bemühungen um ein erfülltes Eheleben noch so zu bieten hat.

Mehr Bewegung wagen zum Beispiel. Wenn auch unfreiwillig. Schuld ist – wie so oft - seine Guste, die besten aller Ehefrauen: Sie schleift ihn in ein Wellness-Wochenende in einem Evangelischen Tagungshaus im Sauerland. Jetzt gilt es nur noch, die Herausforderungen schadlos zu überstehen. Er schafft es mit Witz, kruden Wendungen und impertinenter Sturheit, dass sogar einem Kirchenmann die Nerven durchgehen: Er brüllt ihn an. Und für das Publikum kommt die Knebelsche Schlussfolgerung wie ein Schlag: „Ich wusste gar nicht, dass so ein Pastor auch ganz normal reden kann!“ Und viele müssen sich die nassen Augen wischen.

Im Irrsinn des Alltags

Vorsicht, wenn Knebel mal in der Nachbarschaft hilfreich zur Hand geht: Er wird sich und andere dabei früher oder später in haarsträubende Fast-Ausweglosigkeiten stürzen. Die nicht mehr ganz so junge Witwe ist mit seiner hilfreichen Assistenz schnell um den Führerschein gebracht. Aber der entscheidende Tipp zur chaotischen Bombenentschärfung im Nachbargarten, der kommt natürlich auch von ihm: „Denk dran, der Tommy hat Linksgewinde!“ Und Guste kann ihre zur Evakuierung eingepackte Biberwäsche  wieder einräumen. Die Katastrophe ist kaum abgewendet, da geht es im Stakkato der Themen längst weiter. In die total bekiffte Oldie-WG, wo der ehemalige „Hohoho-Chi-Minh-Herbert“ von der damals angehimmelte Mit-Demonstrantin Petra Schlecker nicht mehr wiedererkannt wird. Weiter zum Malheur in der Dusche, wo ihn die völlig überteuerte Reparatur eines Billig-Föns zur Raserei bringt. „Nieder mit dem internationalen Elektroschrottproduzenten-Kapital“ bricht es aus ihm heraus – und der wahre Charakter des nur scheinbar ständig nörgelnden Grantlers ist längst enttarnt. So aberwitzig die Situation, in die er sich hineinmanövriert, so grundvernünftig denkt und handelt er. Gemütlich ist er nicht, aber er hat Gemüt: Keiner seiner imaginären Konterparts bleibt auf der Strecke, jedem ist Gerechtigkeit widerfahren, jeder bleibt seines Glückes Schmied – auch wenn sich der Mann mit der Kappe in dessen Leben einmischt.


Rocking Herbert: Zu drei Akkorden bringt er mit dem kongenialen Ozzy die sparsame Deko und die Halle zum Zittern

Melodienreigen mit Ozzy

Wenn der wahre Herbert selbst seiner ursprünglichen Leidenschaft nachgibt, kommt unweigerlich seine Fender Telecaster zum Einsatz. Immer wieder kongenial und perfekt am Paddle-Steel begleitet von „sein alten Kumpel“ Ozzy Ostermann vulgo Georg Göbel lässt der verkappte Rocker jetzt „seine Gefühle in musikalische Form in Gestalt von ein Lied“ freie Bahn. Erstaunt kommentiert er, „was der Ozzy alles aus dem Holzhaufen rausholt“ und ansatzlos schwebt zwischen dem staksigen Rentner und dem Perücke tragenden Hawaii-Hemd ein Hauch von Alabama auf die Bühnenbretter: Kerniger Blues in bester Tradition der alten Ruhrpott-Skiffler. Zu Nonsens-Texten im Südstaaten-Gewand - über die Unzulänglichkeiten des Bahnfahrplans in Essen-Mitte oder über verschreibungspflichtige Pillen gegen „Blues-Hochdruck“. Jetzt gerät Herbert geradezu in Exstase: Er singt, springt, kreist mit den Hüften, legt sogar einen umjubelten Steptanz auf die Bühne. Und der Schlussapplaus will nach zwei Zugaben kaum enden.

Benefiz mit Knebelwitz

„Ja, war ein schöner Auftritt. Hat echt Spaß gemacht. Sind auch alle gut mitgegangen“, sagt Uwe Lyko nach dem Auftritt in der improvisierten Garderobe der Schulmensa. „Aber war irre heiß da oben.“ Die liebevoll geschmierten Stullen sind fast kaum angerührt, die Manschettenknöpfe, Ersatzsocken und die Schiffermütze sorgfältig wieder in sein antiquiertes Köfferchen gelegt. Und man wundert sich, wo Herbert geblieben ist. Sehr gerne, sagt Uwe Lyko, habe er diesen Benefizabend für das Sportfest der Salesianer 2020 zugesagt, als „der Otto“ ihn gefragt hat: „Gerade jetzt so in Zeiten von Ausgrenzung, Fremdenhass ist das wichtig, dass es auch immer wieder Orte und Veranstaltungen gibt, wo Jugendliche verschiedener Nationen aufeinander zugehen“ - das sei wichtig und unterstützungswert. Er selbst habe ja „nur mein Programm und mich zur Verfügung gestellt“, meint er, viele andere hätten sich ja an der Schule um das ganze Drumherum gekümmert.


Nach dem tiefen Griff ins wahre Leben: Die Ruhr-Idole hatten selber Spaß am Spiel .

Während  im Innenhof der Schule  viele fleißige Aktive Brat- und Currywurst auf Temperatur bringen, zapfen, Technik und  Theaterszene abbauen, ist es für „den Otto“, Pater Nosbisch, ein unvergesslicher Abend. Der Leiter des St. Johannes-Stifts hatte den Kontakt zu Uwe Lyko über Atze Schröder hergestellt – und prompt kam die Zusage. Für einen Abend, an dem er „nun Tränen gelacht“ habe, bekennt der strahlende Pater. Auch mit einem schönen Erlös, der ganz in die Salesianischen Sportspiele gehen wird: 1.200 junge Menschen aus ganz Europa werden zu sportlichen Wettkämpfen erwartet, berichtet er, über 100 Guides sollen bereitstehen, wenn zum ersten Maiwochende 2020 mehr als 2.000 Gäste bei Eröffnung und Abschlussveranstaltung in Duisburg-Wedau sind – alles vom Don Bosco Gymnasium in Essen-Borbeck organisiert: „Es ist ein Riesenevent, aber ist ja auch ein Event, der uns irre viel Freude macht“, freut sich Pater Otto.

Unter dem Motto „Miteinander spielen, miteinander feiern, miteinander glauben“ sollen im kommenden Jahr junge Menschen aus den salesianischen Einrichtungen in Europa in unkomplizierter Weise miteinander Grenzen überwinden, feiern und ihren Glauben leben - ein großes Gemeinschaftserlebnis soll es werden. „Das Faszinierende und Beeindruckende daran ist, dass die Eltern dahinterstehen, Ehemalige, Schüler und die Elternpflegschaft, die stark daran interessiert ist“, so Pater Nosbisch dankbar – auch für den Auftritt von Uwe Lyko, der die ganze Schulgemeinde und viele darüber hinaus zusammengebracht habe: „Herbert Knebel hatte von Anfang an gesagt: Er macht das als Benefiz-Veranstaltung. Damit der Erlös bei der Finanzierung der Jugendsportspiele hilft. Und das ist unglaublich, dass so ein Mensch wie er einfach sagt: Da steh ich dahinter, da bringe ich mich ein, verbringe den ganzen Abend hier und ... super Show, die wir gerade erlebt haben.“

Ja - ob Schauspieler, Priester, Politiker oder Fußballspieler - eigentlich alle, jeder könnte etwas bewegen, lässt Uwe Lyko auf Nachfrage noch wissen. Als Kind habe auch er die biblischen Geschichten geliebt. Und seine Mutter erinnere sich, dass er als Fünfjähriger mal ein großes Kreuz gefunden und durch die Siedlung getragen habe. Alle anderen Kinder hinterher. „Guck mal, euer Sohn ist am Priester werden", meinten die Nachbarn. Das habe sich als Jugendlicher dann aber auch schnell wieder gelegt. „Wie dat oft so is", sagt Lyko. Und lacht sich halb scheckig. Oder war es Herbert?

Christof Beckmann



Dass
Herbert Knebels Bühnenpartner Ozzy ursprünglich mal zum Balett wollte, ist übrigens nur ein Gerücht.


Bratwurst, Currywurst ... und irgendwo hinten gab es noch zu trinken. Da stand am besten schon einer mit in der Schlange.


Ozzy Ostermann unter dem sichtlich falschen Sonnenblumen-Van Gogh gab alles. Ein Mann, ein „Holzhaufen" und richtig gute Musik.


Beifall auch für das Publikum. Mörderhitze unterm Scheinwerfer. Hemd und Hose sitzen perfekt.

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Kommentare

Kommentar von P. Bernhard Seggewiß |

Freue mich mit Euch über einen solchen erlebnisreichen Abend mit dem Einsatz so vieler! Herzlichen Glückwunsch! Frohen Gruß P. Seggewiß

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