Ostfriesenspieß: Gedenktafel zurzeit im Ruhr Museum

Ausstellung 100 Jahre Ruhrgebiet: Borbeck als eine Wiege des Umweltschutzes gezeigt

0 03.01.2021

BORBECK. Wenn Spaziergänger an der Raststätte des Wanderwegs „Riemelsbeck“ unmittelbar an der Stadtgrenze zwischen Essen und Mülheim die dort angebrachte Gedenktafel vermissen sollten, dann sei beruhigend erklärt: Die Gedenktafel befindet sich vorübergehend im Museum.

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Regionalverbands Ruhr als politische Klammer des Ruhrgebiets will nämlich die Ausstellung „100 Jahre Ruhrgebiet“ eine der bevölkerungsreichsten Regionen Europas als vielseitige Metropole präsentieren. Auch wenn das Ruhr-Museum auf Zollverein wegen der Corona-Pandemie kurz nach Eröffnung der Ausstellung erst einmal geschlossen werden musste, veranschaulicht ein umfangreicher Bild- und Textband als Ausstellungskatalog eindrucksvoll die Ziele der Ausstellung.

Die Ausstellung zeigt über 1.000 Exponate, darunter die Gedenktafel, den die „Aktionsgemeinschaft A 31“ nach ihrem Sieg über den „Ostfriesenspieß“ 1982 mitten in der ehemaligen Autobahntrasse im heutigen so genannten Regionalen Grünzug B, der das Ruhrgebiet von Norden nach Süden durchzieht, angebracht hatte. Denn auch dem Umweltschutz widmet die Ausstellung gebührende Aufmerksamkeit.

Erinnern wir uns auch an Details, die im Ausstellungskatalog nicht alle genannt werden konnten: Die in den 1960er- und 1970er-Jahren projektierte Autobahn A 31 sollte von Emden aus die Nordseeküste mit dem Rheinland verbinden und quer durch das Ruhrgebiet bis vor die Tore Bonns führen. Dabei war der südliche Abschnitt besonders umstritten, weil städteüberschreitende Frischluftschneisen wie das Hexbach- und Winkhauser Tal ökologisch zerstört worden wären.

Diesen Planungen setzte die „Aktionsgemeinschaft A 31“ erfolgreich Widerstand entgegen. Sie setzte sich aus Bürgerinitiativen zusammen, die sich entlang der Trasse zwischen Bottrop und Siegburg gebildet hatten.

Auf den Einsatz der Aktionsgemeinschaft geht auch die volkstümliche Bezeichnung „Ostfriesenspieß“ zurück. Bei einer Protestveranstaltung im Hexbachtal wurde ein Flugblatt des Architekten Horst Leiermann ausgelegt, das den geplanten Verlauf der Autobahn aufzeichnete und dabei die Naherholungsgebiete so darstellte, als würden sie wie Fleischstückchen aufgespießt. Der sprachwissenschaftliche literarische Erstbeleg für den Begriff „Ostfriesenspieß“ wird übereinstimmend den zuletzt von der Funke-Mediengruppe herausgegebenen und inzwischen eingestellten Borbecker Nachrichten zugeschrieben.

Wie die Mitgliederliste der „Aktionsgemeinschaft A 31“ - die im Bestand des Stadtarchivs Essen und des Kultur-Historischen Vereins Essen-Borbeck archiviert ist - belegt, war der Widerstand im Grenzraum Mülheim / Essen-Borbeck besonders intensiv. Der Mülheimer Wilhelm Knabe gehörte dem wissenschaftlichen Beirat der Aktionsgemeinschaft an und wurde später einer der Gründungsväter der „Grünen Partei“. Den wissenschaftlichen Beirat beriet gleichermaßen der Chef der Gynäkologie am Borbecker Bethesda-Krankenhaus Horst Pomp. Kassenwart war Dietmar Matzke aus Haarzopf, der die Entwicklung um den Regionalen Grünzug auch heute noch aufmerksam verfolgt. Von damals bis heute in unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen immer dabei war und ist Wolfgang Sykorra, der ehemalige Direktor des Gymnasiums Borbeck.

Denn mit der Aufgabe der Autobahnplanung waren die Gefahren für den Regionalen Grünzug nicht vorbei. Postverteilungszentrum, Justizvollzugsanstalt, Umspannwerke, Deponie oder vor allem Gewerbegebiete haben die Siepentäler bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder bedroht, die Gefahren mussten also immer wieder abgewehrt werden.

Für Borbeck werden neben der A 31-Aktionsgemeinschaft das Wirken der 1962 gegründeten ersten großen bundesweit agierenden „Interessengemeinschaft gegen Luftverschmutzung“ und die Pionierleistung seines Vorsitzenden, des Dellwiger Arztes Clemens Schmeck, hervorgehoben. Der Interessengemeinschaft gehörte auch sein Kollege Rolf Roskothen an, der außerdem Mitglied der Aktionsgemeinschaft war.

Umweltschützer wird es besonders freuen. Denn die beiden großen Initiativen gehören – so der Ausstellungskatalog - als „außerparlamentarisch und außerhalb von Behörden und Forschungsnetzwerken“ agierende Gruppen zu erfolgreichen gesellschaftlichen Akteuren. W.S.

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