Vor 100 Jahren: Spanische Grippe in Essen

0 20.05.2021

In der Antike es drei historische Pandemien gegeben. Die erste Pandemie brach im Jahre 558 n. Chr. unter Kaiser Justinian aus und dauerte bis 749 n. Chr. Die Pandemie des Mittelalters begann mit dem Schwarzen Tod in den Jahren 1346 bis 1353 und dauerte fast ein halbes Jahrtausend. Eine dritte Pandemie brach 1894 in Yunnan, China, aus und verbreitete sich weltweit. In allen Fällen handelte es sich um die als Beulenpest bekannte „Yersinia pestis“, die sich zu einem tödlichen KiIler entwickelte und wahllos zuschlug. (Harper, S. 304). Was die Menschen damals erlebten, erinnert in fataler Weise an die heutige Pandemie.

Vom römischen Bischof und Kirchenhistoriker von Johannes von Ephesus, der die Beulenpest überlebt hat, stammen verstörende Berichte über die Auswirkungen der Seuche in Konstantinopel. Johannes zufolge hätten Menschen an den Häfen, Kreuzungen und Toren der Stadt gestanden und die Toten gezählt. Er spricht von bis zu 230.000 Toten. Danach habe man mit dem Zählen aufgehört. Die Stadt sei mit Leichen übersät gewesen Anfangs habe man sich noch bemüht, die Toten zu begraben, doch später sei alles durcheinander geraten. Feierliche Rituale und einfachste Umweltkontrollen habe man aufgegeben. Im Umkreis der Stadt seien Gruben aufgehoben und mit Leichen gefüllt worden. Die Toten habe man in Schichten kreuz und quer „wie Heu übereinander gestapelt“.

Was Johannes über die Zustände in Konstantinopel berichtete, passierte im ganzen Römischen Reich, in den Ostprovinzen ebenso wie in Palästina, Syrien, Mesopotamien und Kleinasien. Die Seuche soll auch die Donauprovinzen, Italien, Nordafrika, Gallien und Spanien erreicht haben und sogar bis zu den Britischen Inseln vorgedrungen sein. Der Bericht des Johannes von Ephesus erinnert an Erscheinungsformen und Auswirkungen der gegenwärtigen Pandemie, insbesondere an die dramatische Entwicklung in Indien. Was Kyle Harper im Prolog zu seinem Buch über den Untergang des Römischen Reiches schreibt, gilt auch für die Gegenwart, dass nämlich „die Angehörigen einer der bedeutendsten Zivilisationen der Geschichte erfahren mussten, dass sie die Natur längst nicht so beherrschten, wie sie gedacht hatten.“ (Harper, S. 21).

Die Spanische Grippe

Die Krankheit wurde „Spanische“ Grippe genannt, weil die Presse im kriegsneutralen Spanien zuerst darüber berichtete. Sie wurde auch als „Blitzkatarrh“, „Flandern-Fieber“, „knock-me-down-Fieber“ oder „la grippe“ bezeichnet. Weltweit sind der Spanischen Grippe etwa 25 und 45 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Im Unterschied zur normalen, saisonal auftretenden Grippe ist bei einer Pandemie ein wesentlich höherer Prozentsatz der Bevölkerung infiziert. Außerdem treten bei einer die Pandemie schwerere Krankheitsverläufe und eine erheblich höhere Mortalität auf.

Die Influenza (Grippe) ist eine akute Viruserkrankung. Sie ist eine hoch ansteckende Krankheit, deren Bekämpfung sich schwierig gestaltet, weil das Virus ständig mutiert. Die Spanische Grippe, die sich zwischen Frühjahr 1918 und Anfang 1919 in drei Wellen über die Welt ausbreitete, war die bis dahin tödlichste aller bekannten Influenza-Panepidemien. Vor ihr gab es die „russische“ Grippe von 1889-1892, nach ihr die „asiatische“ Grippe von 1957/58, die „Hongkong“-Grippe von 1968-1970 und die „Schweinegrippe“ von 2009. Ins kollektive historische Gedächtnis drangen die Epidemien aber nicht ein.

Erinnerungen an die Spanische Grippe kamen erstmals mit der sogenannten Vogelgrippe auf, die sich seit Anfang des 21. Jahrhunderts über Asien und Europa verbreitete. In einem Gutachten für den Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2005 zeigte man sich besorgt wegen der Übertragbarkeit des Virus von Tier zu Mensch. Die Mutation könne möglicherweise eine weltweite Pandemie hervorrufen, die die Auswirkungen der Spanischen Gruppe übertreffen würde. (Müller, S. 23). Tatsächlich haben Forschungen ergeben, dass sich das Virus der Spanischen Grippe (A/HINI), das sich überall in der Welt versteckt gehalten hatte, 2009 mit der „Schweinepest“ zurückmeldete. Man kann also sagen, dass das tödliche Virus ein ganzes Jahrhundert ansteckend gewesen ist. Als historische Warnung wurde die Spanische Grippe jedoch nur bedingt verstanden.

Verlauf und Folgen

An der Spanischen Grippe starben im Deutschen Reich nach vorsichtigen Schätzungen etwa 300.000 Menschen. Das Influenza-Virus ist vermutlich durch Truppentransorte aus den USA an die Westfront in Frankreich und Belgien eingeschleppt worden. Durch Heimaturlauber und verwundete Soldaten wurde sie dann nach Deutschland gebracht. Im Juli 1918 waren bereits knapp 400.000 deutsche Militärangehörige an der Grippe erkrankt. Rasch kamen abstruse Verschwörungstheorien auf. Manche waren fest davon überzeugt, dass die Krankheit durch deutsche Spione in die USA gelangt sei. Andere glaubten, das Virus sei durch Manipulationen des Bayer-Konzerns am Aspirin entstanden.

Seit Mitte Juni 1918 breitete sich die Grippeepidemie von Westen nach Osten aus. Besonders betroffen waren Orte, an denen eine große Zahl von Menschen dicht beisammen lebte oder arbeitete, wie etwa Fabriken, Bergwerke, Kasernen und Kriegsgefangenenlager. Es gab ein starkes regionales Gefälle in der Ausbreitung und Zahl der Erkrankungen. Manche Orte wie Düsseldorf oder Danzig blieben fast gänzlich verschont, das Industriegebiet an der Ruhr wurde dagegen stark von der Seuche erfasst. Auffällig war von Anfang an, dass vor allem die jüngeren Jahrgänge erkrankten. In der deutschen Zivilbevölkerung machte man insbesondere die schlechte Versorgungslage und die daraus resultierende geschwächte Widerstandskraft der Bevölkerung für die Epidemie, die man im Ruhrgebiet auch als „Hungerkrankheit“ bezeichnet, verantwortlich. (Michels, S. 14). Eine direkte Verbindung zwischen schwerem Grippe-Verlauf und unzureichender Ernährung lässt sich empirisch allerdings nicht nachweisen.

Das für den Ausbruch der zweiten Welle ab August 1918 verantwortliche und möglicherweise genetisch veränderte Virus verursachte eine etwa fünfundzwanzig- bis dreißigfach höhere Mortalität als sie bis dahin bei gewöhnlichen Grippewellen aufgetreten war. Außerdem waren die Symptome wesentlich schwerer: Hohes Fieber, rasende Kopf- und Gliederschmerzen, Nasen- und Ohrenbluten, Sauerstoffmangel. Die blutige Lungenentzündung führte, wie gesagt, vor allem bei jungen Menschen in kurzer Zeit zum Tod. (Vgl. die Schlagzeile „Heute krank, morgen tot“ im Darmstädter Echo vom 26. Januar 2021). Es gab aber auch markante Unterschiede bei den Mortalitätsraten. Industriemetropolen verloren nicht unbedingt mehr Einwohner durch die Grippe als andere Städte. Die Zahlen sprechen dafür, dass die Epidemie willkürliche Verläufe nahm. Nach einer Statistik des Reichsgesundheitsamtes für die Jahre 1914 bis 1918 lag der Anteil an Sterbefällen durch Erkrankungen der Atmungsorgane z.B. in Dortmund bei 1,0 Promille, in Essen dagegen bei 7,2 Promille. Allerdings sind sämtliche Zahlen mit Vorsicht zu genießen.

Wahrnehmung der Epidemie in der Öffentlichkeit

Die Spanische Grippe in Essen hat, gemessen an Umfang und Intensität der Berichte in Presse und amtlichen Dokumenten, so gut wie nicht stattgefunden. Selbst das Stadtarchiv Essen meldet zu diesem Thema nahezu Fehlanzeige. Die einzige Quelle, aus der verwertbare Daten zum Krankheitsgeschehen abzulesen sind, ist der Bericht des Stadtmedizinalrats Dr. Fischer, der am 15. Mai 1920 in der Essener Arbeiter-Zeitung veröffentlicht worden ist. Damit steht Essen nicht allein da. Die Gründe für die Zurückhaltung in der Berichterstattung über die Grippe-Influenza in der deutschsprachigen Presse und in amtlichen Verlautbarungen sind die gleichen wie überall in Deutschland. Regierung und Behörden versuchten mit allen Mitteln, die Lage zu beschönigen, um die kriegsgeplagten Deutschen nicht noch mehr zu beunruhigen.

Selbst auf dem Höhepunkt der zweiten Grippewelle im Oktober/November 1918 war die Pandemie nicht das dominierende Thema in Deutschland. Darüber zeigten sich zeitgenössische Beobachter ziemlich erstaunt, wie zum Beispiel die Neue Zürcher Zeitung, die sich in einem Artikel vom 2. März 1919 über die „beispiellose Gleichgültigkeit“ wunderte, mit der die Seuche in Deutschland hingenommen werde. Als Erklärung dafür führte man zum einen die kriegsbedingte Gewöhnung der Bevölkerung an das Massensterben ins Feld. Der natürliche Tod habe durch die Auswirkungen der Kriegsmaschinerie, so die Annahme, seinen Schrecken verloren. (Michels, S. 23).

Zusätzlich spielte die von der Regierung verordnete restriktive Berichterstattung eine Rolle. Den Zeitungen war dringend nahegelegt worden, keine Meldungen zu bringen, die die deutsche Öffentlichkeit während des Krieges hätten beunruhigen können. Eine wichtige Rolle spielte auch, dass in Deutschland unmittelbar nach Kriegsende, bedingt durch den politischen Systemwechsel, bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, die mit einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Not einhergingen. Zu einer einheitlichen Grippeerfahrung konnte es daher, auch wegen der Ungleichzeitigkeit der Influenza-Ausbrüche und ihrer unterschiedlichen regionalen Intensität, nicht kommen. Aufs Ganze gesehen wurde die Spanische Grippe damals zwar beklagt, aber nicht als eine Schrecken auslösende Seuche wahrgenommen. Sie war inmitten des aktuellen Geschehens und der Alltagssorgen und wegen der Marginalisierung der Pandemie durch die Behörden eine eher „stille Katastrophe“ und blieb daher nicht im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung haften. (Kobusek, S. 3).

Maßnahmen

Die Reichs- und Landesbehörden empfahlen 1918 angesichts der steigenden Influenza-Zahlen die Schließung von Veranstaltungsorten (Theater, Kinos) und Schulen („Grippeferien“), überließen die Umsetzung für die Bekämpfung der Epidemie jedoch den lokalen Behörden. Zu einem generellen Versammlungsverbot, der Schließung von Gaststätten und dem Aussetzen von Gottesdiensten konnten sich die Bundesstaaten und Kommunen im Reich nicht durchringen. Diese harten Maßnahmen stünden, so das Reichsgesundheitsamt, in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen und würden überdies die Verunsicherung der Bevölkerung steigern. Das Reichsgesundheitsamt sprach sich gegen generelle Schulschließungen aus. Die Schulen seien oft die einzigen Versorgungsstätten für die Kinder und trügen zur Entlastung der berufstätigen Frauen bei.

Ärztliche Empfehlungen

1918 wusste man noch nicht, dass Influenza keine bakterielle, sondern eine Virusinfektion ist. Fehlendes Wissen über die Übertragungswege des Erregers stand der wirksamen Bekämpfung der Spanischen Grippe im Wege. Man versuchte das Fieber mit Schwitzkuren oder Aspirin zu bekämpfen. Manche Mediziner empfahlen das Trinken von Alkohol. Gesundheitsämter rieten zum regelmäßigen Waschen der Hände und zum Gurgeln mit Salzwasser. Außerdem solle man Massenverkehr meiden. Ärzte, die das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes empfahlen, wurden verspottet. Anstatt sich an der frischen Luft aufzuhalten, sollten sich die Menschen in die Häuser zurückziehen und die Fenster schließen.

Allerdings gab es auch Ärzte, die eine gegenteilige Auffassung vertraten, wie zum Beispiel der Kreisarzt des Landkreises Siegen, Dr. Hensgen. In seinem Bericht vom November 1918 über die Grippe-Epidemie in Siegen riet er dazu, neben dem obligatorischen Händewaschen, dem Gurgeln der Mundhöhle mit Salzwasser und dem maßvollen Trinken von Alkohol, sich so oft wie möglich außerhalb des Hauses zu bewegen, weil in der frischen Luft so gut wie keine Infektionsstoffe vorhanden seien. (Plaum, S. 5/6).

Die Influenza in Essen

Überall standen die Menschen der Seuche verunsichert und schutz- und hilflos gegenüber. Hauptursachen waren der unzureichende Stand der Medizintechnik (eine Impfung gab es 1918 noch nicht), die schlechten hygienischen Verhältnisse, die miserable Versorgungslage sowie ein geschwächtes Immunsystem durch chronische Mangel- und Unterernährung. (Kobusek, S. 2). Heute gehören Maske, Schließung von Schulen und Veranstaltungsorten, Kontaktbeschränkungen zu den wirksamsten Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus und seiner Mutanten.

Diese Maßnahmen waren damals keineswegs selbstverständlich. Man wusste einfach zu wenig über das Virus und das Infektionsgeschehen. In der Statistik des Essener Medizinalrats Dr. Fischer über Sterblichkeit und Todesursachen in Essen, die für den Zeitraum 1913 bis 1919 Angaben zu Lungenentzündungen und Tuberkulose macht, wird die Todesursache Influenza gesondert aufgeführt. Demnach war der Höhepunkt der Influenza-Todesfälle mit knapp 19 Prozent im Oktober 1918 erreicht. 1920 lag der Anteil der Sterbefälle durch Influenza nur noch bei etwas mehr als 10 Prozent, 1921 ging er auf knapp 3 Prozent zurück.

Als Ursachen für die Grippe- und Lungenentzündungs-Epidemie im 1. Quartal 1920 kamen für Dr. Fischer die schlechte Ernährungslage, die Unterernährung insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die mangelnde Hygiene und die schlechte Wohnverhältnisse in Frage. Als Folgerung darauf schlug er konkrete Maßnahmen vor, darunter die Beschaffung von Nahrungsmitteln besonders für Kinder und Jugendliche, die Hebung der Widerstandskraft, den Bau neuer Wohnungen und die Erweiterung und bessere Ausstattung der Krankenhäuser. Die erhöhte Säuglingssterblichkeit im 1. Quartal 1920 erklärte Dr. Fischer mit der Zunahme der Stillunfähigkeit der Mütter durch Mangel Auswirkungen der Hungerblockade und Krieg, der unzureichenden und unnatürlichen Ernährung der Säuglinge und der mangelnden Körperhygiene und Pflege der Säuglinge. Er schlug vor, die Ernährungs- und Pflegemöglichkeiten der schwangeren und stillenden Mütter durch die regelmäßige Beschaffung einwandfreier Frischmilch und die Bereitstellung von Säuglingswäsche zu verbessern. Sein Credo lautete: „Dasjenige Nahrungsmittel, das alle Nahrungsstoffe, die zur Erhaltung und Erhöhung der Widerstandskraft des Körpers dienen, in der glücklichsten Form enthält, ist die Frischmilch; also Milch, Milch und nochmals Milch.“

Die Influenza in anderen Regionen

Anderenorts setzt man aus Unkenntnis auf andere Mittel gegen die Grippe. Eine Frau aus Freiburg, das von der Grippe besonders stark betroffen war, fragte im Oktober 1918 ihren Mann per Brief, ob man dort Alkohol gegen die Grippe bekomme. Das sei nach Aussage ihres Arztes das einzige Mittel dagegen. Auch in Kaiserslautern griff die Epidemie rasend schnell um sich. Ein Soldat schrieb im Oktober 1918 in seinem Tagebuch über die Zustände in einem zivilen Krankenhaus: „Die Krankheitsfälle steigern sich von Tag zu Tag, immer mehr Todesfälle treten ein, immer größere Landesteile werden von der heimtückischen Lungenkrankheit befallen. Schon trägt sie epidemischen Charakter, massenweise sterben die Menschen dahin, manche sogar schon nach wenigen Stunden. In den Leichenhallen der Friedhöfe stauen sich die Särge. Beerdigung folgt auf Beerdigung.“ (Burger, S. 47). Den Landkreis Halle erreichte die Epidemie im Oktober 1918.

Ein anschauliches Bild der damaligen Zustände im Harz, in Bielefeld und in Halle lieferte der Schuldirektor Christian Federking (1860-1945) aus Halle in seinem Kriegstagebuch: „Halle, 26. Oktober [1918]. Wir hatten vom 12.-19. Okt. noch eine Woche Ferien. Ich war mit meiner Frau in Lauterberg zur silbernen Hochzeit des Schwagers gereist, und wir haben nun wieder 1 Woche unterrichtet. Dort im Harz wie hierzulande herrscht in starkem Maße die Grippe. In Lauterberg (6.000 Einw.) standen 8 Särge über der Erde, von Bielefeld erzählte uns Landgerichtsrat Schreiber, dass dort 47 Leichen stehen, für die keine Särge da sind. In unserer Schule fehlten 40 von 111 Kindern, heute waren 79 da. Die hiesige Volksschule ist für 8 Tage wegen Krankheit von Kindern u. Eltern geschlossen, in Bielefeld sind alle Schulen bis 9. November geschlossen. Die Zeitungen stehen voll Todesanzeigen; besonders wird die Jugend vom 16.-20. Lebensjahr dahingerafft. Die Seuche ist wohl eine Folge der Ernährung und des nassen und kalten Sommers und Herbstes.“ (Vgl. Ausstellung zur Spanischen Grippe im Altkreis Halle).

Im Siegerland blieb, folgt man den vorliegenden Zahlen, kaum eine Familie oder ein Betrieb von der Influenza verschont. War die Grippe 1917 mit einem Anteil von etwa mehr als 1 Prozent noch eine „normale“ Krankheit geweesen, so änderte sich dieses Bild im Zuge der Epidemie dramatisch. Im letzten Quartal des Jahres 1918 lag die Influenza mit einem Anteil von über 17 Prozent vor der Tuberkulose (12 Prozent) an erster Stelle aller Todesursachen. 1919 änderte sich das Bild wieder. Da rangierte die Tuberkulose mit 17 Prozent wieder vor der Grippe mit 4,5 Prozent. (Plaum, S. 2/3).

Fazit

Von den etwa 57 Millionen Zivilisten in Deutschland starben 1918 durch die spanische Grippe und die von ihr ausgelösten Lungenentzündungen etwa 7 Promille der Zivilbevölkerung. In Dänemark waren es 3,7 Promille, in Schweden 5,1 Promille, in der Schweiz 5,9 Promille und in Spanien 7.1 Promille. Unter den Krieg führenden europäischen Saaten waren Portugal und Italien mit jeweils 9 bis 10 Promille am härtesten betroffen. In Frankreich waren es 7,2 Promille und in England 6,0 Promille. Das tatsächliche Ausmaß der Epidemie ist aber nur annähernd zu bestimmen. (Michels, S. 26 f.).

Franz Josef Gründges

 

Quellen und Fundstellen

  • Kyle Harper: Fatum. Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches. München 2020. (S. 303 ff.).
  • Jörg Burger: „Bekommt ihr auch Alkohol gegen die Grippe?“. In: ZEIT-Magazin N° 52 (10.12.2020), S. 46-52.
  • Eckard Michels: Die „Spanische Grippe“ 1918/19. Verlauf, Folgen und Deutungen im Kontext des Ersten Weltkriegs. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 58 (2010), Heft 1, S. 1-33.
  • Staatsarchiv Marburg: Vor 100 Jahren: Die zweite Welle der Spanischen Grippe erfasst Hessen. (https://landesarchiv.hessen.de/spanische-grippe). (Aufgerufen am 27.01.2001)  
  • Darmstädter Echo, Pressespiegel: Heute krank, morgen tot. Artikel vom 26.01.2021.
  • Bernd D. Plaum: Die Grippe im Siegerland 1918/20. In: Geschichtswerkstatt Siegen. Arbeitskreis für Regionalgeschichte. (http://geschichtswerkstatt-siegen.de/texte). (Aufgerufen am 27.01.2021).
  • Die Spanische Grippe im Altkreis Halle. (https://www.haller-zeitraeume.de/exponate/spanische-grippe.de) (Aufgerufen am 27.01.2021).
  • Stefan Müller: Die Spanische Grippe (im Spiegel des sozialdemokratischen Vorwärts). Friedrich-Ebert-Stiftung. Abteilung: Archiv der sozialen Demokratie. Bonn 2020. (https://www.fes.de/themenportal-geschichte-kultur-medien-netz/geschichte/spanische-grippe) (Aufgerufen am 04.02.2021).
  • Katja Kobusek: Erläuterungen zur Themenwand „Spanische Grippe“ in der Ausstellung im Museum Haller ZeitRäume 2019. (http://www.haller-zeitraeume.de/exponate/spanische-grippe). (Aufgerufen am 27.01.2021).
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Essen der Jahre 1913-1919 und 1920-1921: Tabellen zu Todesursachen, Sterbefällen und Geburten. (Aus dem Bestand vom Haus der Essener Geschichte).
  • Die Gesundheitsverhältnisse der Essener Bevölkerung im ersten Berichtsjahr 1920 – Bericht des Stadtmedizinalrats [Dr. Fischer], in: Essener Arbeiter-Zeitung vom 17. Mai 1920. (Aus dem Bestand vom Haus der Essener Geschichte).

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