Vor 150 Jahren: Friedhof auf dem Germaniaplatz wird aufgelöst

Von den Anfängen der Friedhöfe in Borbeck-Mitte

0 01.03.2024

BORBECK. Die Knospen knallen und der Frühling ist da. Langsam traut sich die Natur aus dem Winterschlaf. Und die Sonnenstrahlen dieser Tage locken zu Spaziergängen – vielleicht auch an diesem Wochenende. Da trifft es sich in der noch laufenden Fastenzeit, dass so auch besondere Orte des Stadtgrüns in den Krokus-Fokus kommen: Die Friedhöfe – längst entdeckt als besondere Oasenorte in der Stadtlandschaft. Und sie haben ihre ganze eigene Geschichte.

Blick auf Borbeck

Ursprünglich wurden alle Verstorbenen aus der ganzen ehemaligen Bürgermeisterei nur rund um die Kirche auf die Dionysiuskirchplatz beerdigt. St. Dionysius war bis dahin das einzige Gotteshaus für das ganze Gebiet bis ins heutige Oberhausen und man wollte seine Toten in ihrer Nähe wissen. Doch irgendwann war der schmale Hügel einfach voll - die Bevölkerung in dem jungen Industriedorf Borbeck wuchs rasant. Und man beschloss in der Not, eine neue Fläche für diesen Zweck zu erschließen: Ab 1841 wurde in „Mosterts Garten“ beerdigt, auf dem heutigen Germaniaplatz. Allerdings nicht gerade lange: Denn der Platz reichte für gerade einmal 13 Jahre. Vor 170 Jahren, am 3.3.1854, schrieb Totengräber Wilhelm Kuhlmann an Bürgermeister Anton Hermann Péan: „Wegen Überfüllung keine Bestattungen mehr möglich.“


Der heutige Germaniaplatz mit dem 1880 errichteten Gefallenen-Denkmal - Blick auf die 1861 gebaute Kirche St. Dionysius

Der Pfarrer verkauft seinen Garten

Doch Johann Joseph Legrand (1796-1877), von 1835 bis zu seinem Tod Pfarrer an St. Dionysius, hatte vorgesorgt: Zwar ging es mit seinen ehrgeizigen Neubauplänen für die neue und viel größere Dionysiuskirche nur schleppend voran. Aber auch an einem neuen Friedhof kam die Pfarre nicht vorbei. So verhandelte Legrand mit der Kirchengemeinde, die ihm schließlich am 9.12.1857 am „Pastors Kamp“ einen Teil seines eigenen Gartens abkaufte. So entstand der erste Teil des heutigen „Hülsmann“-Friedhofs an der damaligen Friedensstraße. Ab 1859 wurde dort nun beerdigt, auch wenn die offizielle kirchliche Genehmigung erst 1861 kam. Das kümmerte Legrand herzlich wenig – er war wie in anderen Fragen auch hier einfach pragmatisch und setzte sich über vieles hinweg.

Friedhofskreuz und Erweiterungen

Während zugleich auch die neue Dionysius-Kirche langsam Gestalt annahm, ging an ihren Architekten Vinzenz Statz (1819-1898) gleich ein weiterer Auftrag für den neuen Friedhof: Der damals bereits berühmte Neugotiker, 1863 zum Diözesanbaumeister des Erzbistums Köln ernannt, entwarf für den Totenacker ein großes Kreuz, das dort heute noch steht. Mit der Ausführung beauftragten Pfarrer Legrand und der Kirchenvorstand den Bildhauer Ossendorf in Krefeld. 1869 war das Kreuz fertig, es wurde eingeweiht und schon drei Jahre später musste der Friedhof zum ersten Mal erweitert werden.

Friedhof am Germaniaplatz wird geschlossen

Vor 150 Jahren, 1874, löste man den Friedhof am heutigen Germaniaplatz endgültig auf. Dort waren bis dahin mehr als 2.500 Verstorbene beerdigt worden. Ab jetzt wurde nur noch auf dem neuen Friedhof bestattet. 1877-89 folgte dort eine erneute Erweiterung und 1892-93 nahm der Friedhof die heutige Größe an, als die Familien Hülsmann, Leimgardt und Kuhlmann weitere angrenzende Acker- und Wiesengrundstücke schenkten.


Der Friedhof an der heutigen Hülsmannstraße / Lageplan 1872 mit den Erweiterungen (Skizze Georg Beckmann), Archiv St. Dionysius

Was wurde aus dem alten Friedhof?

An den ehemaligen Friedhof am heutigen Germaniaplatz in Borbeck-Mitte erinnert heute nichts mehr. Doch blieb er als besonderer Ort von Bebauung freigehalten. Am 17. Oktober 1880 enthüllte man feierlich das neue Germania-Denkmal auf dem Platz, das an die Borbecker Gefallenen im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erinnerte. Vor der Jahrhundertwende geriet der Platz allerdings doch zu einem frühen Verkehrsknotenpunkt: Ab 1893 kreuzte hier die neue Straßenbahnlinie von Borbeck über Bahnhof Berge-Borbeck nach Essen vorbei, ab 1898 die Verbindung von Borbeck über Dellwig und Unterfrintrop nach Oberhausen.

Neben anderen Gebäuden standen hier die beiden Vikarien der Pfarrgemeinde St. Dionysius und zwei nebeneinander liegende Gastwirtschaften. „Kaiser Friedrich“ von Julius Demond, 1918 in „Lindenhof“ umbenannt, brannte im Zweiten Weltkrieg ab, die Gaststätte von Hermann Kleine-Möllhoff wurde 1969 im Zuge der Sanierung Borbecks abgerissen. 1919 baute die Pfarrgemeinde auf dem Gelände des heutigen Ludwig-Theben-Hauses das „Marienheim“, das von den Hiltruper Missionsschwestern vom hl. Herzen Jesu geführte „Katholisches Fürsorgeheim für Mädchen, Frauen und Kinder“. Später war dort der Kindergarten St. Dionysius untergebracht. 1927 sollte auf dem Platz statt der Germania eine Ehrenhalle für die Gefallenen des Weltkriegs entstehen, doch wurden die Pläne wieder verworfen. Auch eine neue Verbindungstraße, die zwischen Altendorf und Dellwig mitten über den Germaniaplatz führen sollte, wurde in den 1960er-Jahren nicht gebaut.

Kunst erinnert an die Verstorbenen

Auch von dem ursprünglichen Friedhof an der 1860/61 abgerissenen alten Dionysiuskirche ist nichts mehr übrig. Im Chorraum der heutigen Kirche ist lediglich das aus Baumberger Sandstein gefertigte Grabmal von Elisabeth von Manderscheid und Blankenheim, Fürstäbtissin 1588-1598, zu sehen, das einst gegenüber dem Marienaltar hing. Der Kirchberg selbst steht seit vielen Jahren als Bodendenkmal unter Denkmalschutz. Zahllose Gebeine wurden hier bei Bauarbeiten in den 1980er Jahren sichtbar, die seitdem hier unter dem Pflaster liegen. Doch an die Toten vieler Jahrhunderte mag heute der Bronzeguss „Kruzifix II“ des international bekannten Bildhauers Dietrich Klinge erinnern. Die von dem Borbecker Kunstmäzen Klaus Metzelder 2012 mit dem Künstler aufgestellte Figur eines Schmerzensmannes breitet ihre Arme weit über den Platz.

CB


Der Bronzeguss „Kruzifix II“ des international bekannten Bildhauers Dietrich Klinge, 2012 auf dem Dionysiuskirchplatz aufgestellt.


„Dies irae dies illa, solvet saeclum in favilla: Teste David cum Sibylla. Quantus tremor est futurus, quando iudex est venturus, cuncta stricte discussurus!”... so steht es nicht mehr allzu gut erhalten auf dem vom Kölner Dombaumeister Vinzenz Statz entworfenen Kreuz von 1869 auf dem Friedhof an der Hülsmannstraße. Übersetzt aus dem Lateinischen heißt es: „Tag der Rache, Tag der Sünden, wird das Weltall sich entzünden, wie Sibyll und David künden. Welch ein Graus wird sein und Zagen, wenn der Richter kommt, mit Fragen streng zu prüfen alle Klagen! ...“. „Dies irae“ - auch „Tag des Zorns“ genannt - ist der Beginn eines mittelalterlichen Hymnus über das Jüngste Gericht. Über 600 Jahre lang wurde er als Sequenz der Totenmesse gesungen.

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